Sie sind nicht angemeldet.

Geburtsjahr: 1740

Haarfarbe: schwarz

Augenfarbe: braun

Körpergröße: klein

Figur: schlank

Kleidungsstil: elegant

  • Nachricht senden

1

Sonntag, 17. Mai 2015, 18:29

Kolonialware

Kali, Göttin des Todes und der Zerstörung, möge dieses Korsett holen.

Ein geschlagenes halbes Jahr lebte schon in Großbritannien, und ich hatte mich noch immer nicht gänzlich an diese Korsette gewöhnt. In Bombay, wo ich geboren und aufgewachsen war, hatte es selten Not getan für mich, mich in diese Dinger zu zwängen. Ich hatte mich wohl gefühlt in meinen angenehm wallenden indischen Kleidern. Nur dann und wann hatte ich schon in jüngeren Jahren so etwas über mich ergehen lassen müssen, bei Empfängen der Britischen. Nun, dies war die Vergangenheit. Letztes Jahr fällte mein Vater die Entscheidung, dass wir nach London ziehen würden. London, der Stadt des Sitzes der East India Company, für die mein Vater handelte; man benötigte einen indischen Faktor in London, und mein Vater hatte sich begeistert freiwillig gemeldet.

Vater hatte schon immer ein Faible für die Briten gehabt. Und ich wusste ja, was er damit meinte. Sie waren… fortschrittlich. Sie hatten keine Kasten, bessere Waffen, bessere Schiffe. Mein Vater redete immer davon, dass Großbritannien das Land war, in dem Milch und Honig flossen, dass Indien rettungslos veraltet war, und dass wir alle so schnell wie möglich Briten werden mussten. Wir – ich, meine Brüder und meine Mutter – fügten uns. Er war unser Vater, was sollten wir sagen? Der Umzug meiner Familie stellte sich für die Pläne meines Vaters als goldene Gelegenheit heraus; es war, was er schon immer gewollt hatte. Kurz daraufhin sahen wir uns an Bord des Ostindienfahrers Doddington wieder. Die Schiffsreise war lang und unerquicklich, aber Ganesha beschützte uns – die Doddington sank auf ihrer Rückreise nach Indien vor Südafrika. Uns aber hatte der Zorn der Seegötter verschont.


London gefiel mir – mir gefiel unser neues schönes Haus, die Straßen, die Theater, auch das Essen. Und doch, es war seltsam. Die Leute starrten mich, uns alle, an. Wir waren Ausländer, und eines hatte ich schon gelernt – die wenigsten Briten liebten Ausländer. Ob es in der Provinz besser war? Kaum möglich. Auch hatte ich London doch gemocht. Und ich bedauerte, es verlassen zu müssen ob Vaters Wunsch. Genau, Vater hatte mich hierher gebracht, um mich nun fortzuschicken. Andere indischen Väter mochten ihre Töchter verstecken und sie dumm halten, nur um sie an irgendeinen Mann zu verscherbeln; meines Vaters Bestreben war es, mir alle Chancen zu geben, welche auch eine Britin hätte – was jetzt auch nicht sehr viel war, aber er hatte sich in den Kopf gesetzt, dass nichts anderes passen würde, als mich zu einer Edeldame als Zofe zu schicken. Ganz wie eine feine britische Dame aus gutem Haus.

Mr Villiers, ein enger Mitarbeiter meines Vaters aus edlem Haus, hatte arrangiert, dass ich bei einer Nicht… oder Cousine? Ich war mich nicht sicher… anfangen würde. Eine gewisse Elizabeth Coventry. Ein wenig älter als ich, sah ich; gewiss würde ich, versicherte mir mein Vater, enorm viel von ihr lernen können. Nun, das würde zu sehen sein.

Ein nicht unerheblicher Grund für mein Bedauern, London verlassen zu müssen, war, dass die Straße von London nach Portsmouth Schlaglöcher hatte. Der Wagen raste mit enormer Geschwindigkeit über sie hinweg, was schon normalerweise mir extremes Unbehagen bereitet hatte. Doch das Korsett – welches mir unter normalen Umständen kaum mehr als vage unkomfortabel, da noch immer ungewohnt, erschienen wäre – machte es kaum besser. Bei besonders starken Löchern merkte ich, wie es mir regelrecht die Luft abschnürte. Bei den Göttern, ich hasste das.

Endlich hielt die Postkutsche an. Ich dachte mir innerlich ein Stoßgebet an Brahma, und entstieg dem Wagen, unterstützt von Mr Dhumal. Amrik Dhumal, der Gehilfe meines Vaters, war mit mir mitgekommen, um mich zu begleiten und mir im Ernstfall Schutz zu leisten. Immerhin, es war nichts passiert – ich hatte schon fest erwartet, dass wir überfallen werden würden. Kein Wunder wäre es gewesen bei diesen Typen, die man hier sah.

Doch wir waren nun da. Die Postkutsche war unweit des Hafen gestoppt. Ich sah Schiffe draußen. Matrosen gingen herum. Ich erblickte unter ihnen sogar ein paar, die wie Inder aussahen. Ein wenig wie zuhause in Bombay. Aber auch, wiederum… gar nicht so. Ich schüttelte den Gedanken ab, und nickte zu Mr Dhumal. Wir schritten zusammen auf ein Haus in der High Street zu – ein schönes Haus, dachte ich mir – es würde meine neue Heimat werden.

Ich studierte die Tür, als Mr Dhumal anklopfte. Ein livrierter Diener öffnete. Mr Dhumal – ein dunkler Typ, dunkler als ich – grinste. “Ich würde gerne Ms Dipali Maurya ankündigen, die neue Zofe von Ms Elizabeth Coventry.“ Der livrierte Diener blickte mich herablassend an. Ich schoss ihm einen passiv-aggressiven Blick zurück. Sollte Kali ihn durchschmoren, zusammen mit dem Schicksal, das mich auf diese regnerische Insel befördert hatte!

Der Diener ließ nicht durchblicken, ob er meinen Blick registriert hatte, sondern bedeutete mir mit einer Geste hereinzukommen. Ich wandte mich an Mr Dhumal und lächelte ihn an, auch wenn mir wahrlich nicht danach zumute war. Eine kurze Verabschiedung später stand ich schon im Haus, und wurde vom Diener, vorbei an sehr properen Mobiliar, durch das Haus und in den Garten geführt.

Dort, in einem recht klein gehalteten, typisch britisch biederen Garten, saß sie. Meine neue Herrin. Der Diener von eben übernahm es, mich vorzustellen. “Madam – dies hier ist Dip… Dit... Drip…“ Grrrrrrrrrr... götterverdammt noch mal, fluchte ich innerlich, aber nach außen hin lächelte ich nur süß, manierlich und liebenswert, machte einen tiefen Knicks – ich hatte mir diesen antrainiert, ebenso wie mein Lächeln – und richtete mich wieder auf. “Guten Tag, Madam. Mein Name ist Dipali Maurya. Ich bin Ihre neue Zofe.“ Das hatte man ja schon arrangiert. Meine Stimme hatte einen leichten indischen Akzent, über den ich mich recht ärgerte, aber daran konnte ich nun gerade nichts ändern. Es blieb abzuwarten, wie das Blondchen – denn ein solches war sie – reagieren würde.

Dipali Maurya
Bürgerin des British Empire
Kammerzofe der Elizabeth Coventry

Geburtsjahr: 1734

Haarfarbe: blond (normal)

Augenfarbe: blau

Körpergröße: durchschnittlich

Figur: schlank

Kleidungsstil: elegant

Auffälligkeiten: teure Kleidung
Wohlstand

  • Nachricht senden

2

Montag, 18. Mai 2015, 13:41

Es waren stille Tage bei Elizabeth; keine besinnliche und festliche Stille. Vor vier Tagen erst hatte sie die Nachricht vom Tod ihres Bruders erhalten, vor drei Tagen war er beigesetzt worden. Sein Anblick hatte sie noch einmal schwer getroffen. Seine Bleichheit, seine Leblosigkeit. Es war der zweite tote Mensch in ihrem Leben gewesen, den sie gesehen hatte. Die Mutter hatte vor einigen Jahren schon sehr weh getan, aber im Vergleich zum Tod von Gilbert war es noch harmlos gewesen. Gilbert. Der Anblick seines Leichnams hatte fast ihr Herz zum Stillstand gebracht. Inzwischen wünschte sie sich fast, auf diesen Anblick verzichtet zu haben. Sie hätte ihn sich viel lieber lebendig, fröhlich und mit rosigen Wangen in Erinnerung behalten und nicht leblos, kalt und blass. Das war einfach nicht Gilbert, der dort in dem Sarg gelegen hatte. Es war nur noch seine Hülle. Auch der Gedanke, dass er nun bei Gott war, vermochte Elizabeth eigentlich kaum zu trösten. Wenn es etwas Gutes war, bei Gott zu sein, warum fürchtete man dann den Tod? Menschen besaßen viele Instinkte, auch diese Furcht musste einer von ihnen sein. Oder fürchteten nur schlechte Menschen den Tod? War sie ein schlechter Mensch? Hatte sie, Elizabeth, sich je etwas zuschulden kommen lassen? Vermutlich schon. Einiges.
Seit der Nachricht über den Tod ihres Bruders hatte sie sich zurückgezogen. Sie hatte mit ihrem Vater gesprochen und viel nachgedacht, sich aber sonst weniger gezeigt. Auch die Nahrungsaufnahme war beinahe schon zur Gänze gestoppt; Elizabeth litt bei Kummer unter totaler Appetitlosigkeit und bekam einfach nichts herunter. So auch dieses Mal.

Hinzu kam seit dem heutigen Tag allerdings noch ein weiterer Faktor, der beinahe schon für Übelkeit bei ihr sorgte. Es war eine völlige Banalität, gemessen an dem Kummer den sie über den Verlust ihres Bruders empfand. Ganz egal allerdings wie banal es war; der Gedanke, dass James Lawrence plötzlich vor ihr stehen könnte, bereitete ihr Stress. Heute war diese Möglichkeit leider gar nicht mehr so unwahrscheinlich, denn es war schon an ihre Ohren gedrungen, dass der Commander heute wieder in Portsmouth eingelaufen war und ein anderes Schiff übernehmen sollte; die HMS Blackwater. Elizabeth lebte schließlich nicht hinter dem Mond und kam durch ihren Vater stets an aktuelle Meldungen heran.
Das letzte Mal hatte sie James vor ziemlich genau dreieinhalb Jahren gesehen, an dem Tag, an dem er nach Gibraltar aufgebrochen war. Sie hatte ihn damals noch verabschiedet und mit glühenden Wangen versprochen, ihm zurückzuschreiben. Ein Versprechen, dass sie nicht eingehalten hatte; weil sie keine Briefe von ihm bekam. Sehr wohl aber hatte sie ihm einen Brief geschrieben. Sie wusste nicht, ob er ihn erreicht hatte; oder ob James ihn überhaupt las. Sie hatte ziemlich viele ihrer Gefühle darin umschrieben, von ihrem Kummer berichtet, den der Tod ihres ältesten Bruders in ihr ausgelöst hatte. Eine Antwort hatte sie von James nie gekriegt. Sie hatte eine Weile lang gegrübelt, woran das gelegen haben mochte. Ob seine Briefe verschwunden waren, ob ihm ein Leid geschehen war oder ob er einfach nur schlicht und ergreifend das Interesse an ihr verloren hatte. Mit der Zeit vermutete sie zunehmend mehr das verlustig gegangene Interesse hinter seiner Schweigsamkeit und hatte sich, so sehr es auch schmerzte, mit ihren Gedanken von ihm abgewendet. Ihr Vater hatte ohnehin nicht die beste Meinung von Mister Lawrence gehabt, was sich nach dieser ganzen Affäre auch nicht gerade gebessert hatte. Sie war dazu übergegangen, ihrem Vater in dieser Hinsicht zu folgen.
Trotzdem war der Gedanke da, dass alles möglicherweise nur ein unglücklicher Umstand gewesen war und James sie aufsuchen könnte. Oder dass er ihr irgendwelche Lügenmärchen auftischte, die sie natürlich nicht glauben würde. Sie war vorbereitet. Dennoch scheute sie die Konfrontation mit James und auch mit ihren alten Gefühlen für ihn. Sie konnte das nicht vermeiden. Sollte er allerdings tatsächlich noch - oder wieder - Interesse an ihr haben, würde sie einer Begegnung kaum ausweichen können. Und mit jeder Stunde, in der die kleine Schaluppe im Hafen von Portsmouth lag, stieg die Chance darauf. Nein, nicht die Chance; die Wahrscheinlichkeit. Das Gute war, dass sie ihn erst einmal nicht sehen musste, wenn sie ihn nicht sehen wollte. Lange würde er ohnehin nicht hier bleiben. Die Admiralität hatte sicherlich etwas für die HMS Blackwater und somit auch für ihren Kapitän zu tun. Etwas Besseres, als in Portsmouth zu ankern und sie zu belästigen.

Schweigend saß Elizabeth gemütlich in einem Korbsessel und ließ sich, mit nur halboffenen Augen, die Sonne ins Gesicht scheinen. Sie war vollkommen allein. Ihr Vater hatte anderweitig zu tun und aus großartigen Pflichten bestand ihr stinknormaler Alltag nicht - aktuell sowieso nicht. Angesichts von Gilberts Dahinscheiden konzentrierte sie sich mehr auf sich selbst denn jemals zuvor in ihrem Leben und auch jetzt ließ sie die warme Wintersonne auf ihr Gesicht scheinen. Es war schon Ewigkeiten reichlich finster und nur manchmal hatte sich die Sonne in den letzten Wochen blicken lassen. Heute war endlich ein Tag, an man man sich schon ein bisschen langfristiger an den Strahlen erfreuen konnte; dennoch war es kalt und Elizabeth dementsprechend in einen kuschelig warmen Mantel gehüllt, der ihr die kalte Seeluft von den Knochen fernhielt.
Es fiel ihr dieser Tage sehr schwer, sich überhaupt zu etwas aufzuraffen. Ausritte, Einkäufe, lustige Gesprächsrunden mit ihren Freundinnen; das alles fiel derzeit weg. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich jemand annäherte und rasch schlug sie die Augen dann ganz auf, nur um einen der Diener auszumachen. Er wollte ihr jemanden vorstellen. Dip… Dit... Drip… Elizabeth Blick ging an ihm vorbei, hin zu der exotisch aussehenden Frau. Diese übernahm es nun, sich selbst vorzustellen. Elizabeth hatte schon davon gehört, dass sie eine neue Dienerin an die Seite gestellt bekommen sollte. Sie würde ihr beim Anziehen und diesen Dingen helfen. Beim Schminken und Gesellschaften; was eben so anfiel. Wenn auch Elizabeth ganz klar eine Engländerin vorgezogen hätte.

"Guten Tag, Di..." Elizabeth hielt nun inne. Wie war der Name nun noch gleich gewesen? Eigentlich war es ja nichts schwieriges oder langes gewesen, aber in Kombination mit ihrer eigenen, eher schwachen Aufmerksamkeit und dem komischen Kauderwelsch der Inderin erschien ihr die Rückfrage als einzig sinnvolle Möglichkeit, an den Namen der Frau zu kommen. Ein wenig angestrengt zog Elizabeth die Augenbrauen zusammen und fragte also: "Verzeih, aber wie war dein Name?" Irgendwann hatte man ihr den schon einmal im Vorhinein genannt, aber sie hatte sich nicht lange darum bemüht, ihn sich zu merken. Hingegen erwartete sie von Dipali, dass diese den vollen Namen von Elizabeth selbstverständlich auswendig wusste, ohne dass sie sich vorstellen musste.

Elizabeth Coventry
Edeldame des British Empire

Geburtsjahr: 1740

Haarfarbe: schwarz

Augenfarbe: braun

Körpergröße: klein

Figur: schlank

Kleidungsstil: elegant

  • Nachricht senden

3

Dienstag, 19. Mai 2015, 02:09

Als ich aus meinem Knickser wieder empor ging und sie erwartungsvoll anlächelte, hatte ich die Gelegenheit, diese hohe Dame ausführlich unter Augenschein zu nehmen. Sie war in etwa so groß wie ich, vielleicht ein oder zwei Zoll größer. Sie war blond. Blond, das war wohl die Traumhaarfarbe von vielen Männern, egal ob Europäer oder Inder, dachte ich, die Dunkelhaarige, mir leicht verdrossen. Gewiss stierten viele Männer der nach. Dabei erschien sie als eine rechte Tussi. Ich war hier, und bekam einen solch schnöden Empfang? Ich hatte ja nicht damit gerechnet, dass mir der rote Teppich ausgerollt werden würde, aber hier wurde mir wahrlich der Eindruck vermittelt, als ob meine Ankunft nur der Anlass für Verdruss und Trauer sein würde! Da kann ich gleich nach London zurückreisen, dachte ich mir selber grantig, wohl wissend, dass ich das nicht tun würde – mein Vater hatte alles in Bewegung gesetzt, um seine kleine „britische“ Tochter in einer richtig schön britischen Rolle, als Zofe einer hohen Dame, zu haben.

Und nun war ich hier, und wurde mit Abschätzigkeit behandelt. Das sah ich schon daran, wie die Dame, dieses blonde Püppchen, ihre Augenbrauen zusammenzog. Erst musste ich mit meinem Scheißkorsett in die bitterste Provinz rumpeln, und dann musste ich es mir gefallen lassen, hier in Portsmouth von irgendeiner noblen Wachtel inspiziert zu werden wie ein Perserteppich am Markt der Zoroastrianer in Bombay. Na das konnte ja was werden.

Freilich wusste ich nicht, dass ihr Bruder gestorben war. Und, um ganz, ganz zutiefst ehrlich zu sein, ging mir das auch nicht so nahe. Von Natur aus war ich noch nie ein Mensch gewesen, der es gerne zuließ, nicht im Mittelpunkt zu stehen und meine eigenen Gefühle gegenüber denen von anderen niedriger zu setzen. Vielleicht, ja nur vielleicht, hatten mich meine Eltern ein wenig zu sehr verhätschelt. Das war mir sogar tief drinnen bewusst, und manchmal fühlte ich mich sogar schuldig deswegen. Doch war es für den Menschen schwer, aus seiner Haut zu können. Und meine Haut war die von Dipali Maurya, die nicht zurückstecken wollte, und nicht von irgendeiner frommen Schachtel, die alles über sich ergehen ließ. Gutes Karma ansammeln konnte ich noch immer… morgen. Oder übermorgen. Oder sonst irgendwann.

Zurück zu meiner neuen Herrin. Ich fasste die nicht. Jetzt gab sie auch vor, meinen Namen nicht verstanden zu haben. Wenn sie glaubte, mich damit aus der Reserve zu bringen, hatte sie sich getäuscht.

Ich machte weiterhin mein süßes, serviles und höfliches Lächeln zu ihr, als sei es mir die größte Freude in der Welt, gerade vor ihr zu katzbuckeln. “Dipali Maurya“, wiederholte ich langsam. Ich mochte nicht wirklich den Klang meiner eigenen Stimme, wenn ich auf Englisch sprach. Ich wurde und wurde meinen Akzent nicht richtig los. Die Angewohnheit, zu versuchen, jede Silbe gleichmäßig auszusprechen, wie auf Gujarati oder Hindi, war einfach sehr tief verwurzelt in mir, auch wenn ich natürlich die Betonungen der englischen Worte kannte – und mich ansonsten auch sehr gut, fließend und verständlich in jener Sprache ausdrücken konnte.

Wenigstens konnte ich mich würdevoll geben. Ich streckte meinen Rücken durch und richtete meinen Blick in ihre Augen. “Dipali heißt Lichterkette, Madam“, sah ich mich bemüßigt, meinen Namen zu erklären, sodass dies ihr als Gedächtnisstütze dienen konnte. “Und Maurya, wie das alte indische Reich.“ Oh ja, die Mauryas. Früher hatten sie über ganz Indian geherrscht, damals, als noch die Römer in Europa an der Macht waren. Zersplittert war ihr Reich, erloschen ihr Glanz… und wir, meine Familie, wir hatten denselben Nachnamen wie sie. Vielleicht war es Zufall. Vielleicht aber, vielleicht waren wir die Abkömmlinge eines Sprosses jener edlen Familie, der im Kastensystem herabgerutscht war und in den Handel gegangen war… niemand wusste es, aber wenn ich genau hinhorchte in der Nacht, im Bett, hörte ich das imperiale Blut durch meine Venen pumpen. Würde sie überhaupt wissen, wer die Mauryas gewesen sind? Ich sah mich schon Lehrstunden in indischer Geschichte ausgeben – hoffentlich konnte ich dem aus dem Weg gehen.

Ich hatte keine Ahnung, was sie von mir hielt. Nun, so wie sie mich anschaute, konnte einem nichts Gutes schwanen. Nicht einmal Interesse? Immerhin konnte ich doch mit einem durchaus dramatischen Auftritt punkten. Ich war schön (und wusste es) und innerhalb jener von käsebleichen, kalkfarbenen, mondgesichtigen Menschen bevölkerten Insel denkbar exotisch – auch wenn ich nicht wirklich so unglaublich dunkel war, immerhin kam ich nicht aus Südindien. Umso besser; eine zu dunkle Hautfarbe entsprach nicht dem indischen Schönheitsideal. Schon alleine aufgrund meines Aussehens bekam ich Aufmerksamkeit, und das war auch gut so. Mit offener Ablehnung aufgrund meiner Herkunft hatte ich selten zu tun gehabt – was wohl meinem behüteten Aufwachsen in einer wohlhabenden Familie, umrundet von Indern und von Indern gewöhnten Briten, geschuldet war. Möglicherweise würde das alles nun anders werden, aber ich wollte mal nicht im Vorhinein davon ausgehen.

“Ist alles in Ordnung, Madam?“, rang ich mich endlich zu einer Frage bezüglich ihres Befindens durch. Ich schaffte es dabei sogar, durchaus besorgt auszusehen. Nun, das schaffte ich sogar ganz überzeugend. Weil wenn die Dame irgendeine Cholera entwickelte, würde ich auch ganz tief im Schlamassel mit stecken, und das wäre eine ziemlich negative Entwicklung für mich. Ich wusste, was Krankheiten aus einem Menschen machen konnten – zuhause, in Bombay, war das Lager der Leprakranken unübersehbar gewesen. Und auch die Bettler mit Krätze, Aussätzen, Cholera und Ruhr, all die armen und kranken Menschen, welche sich allmorgendlich durch das Bazartor schoben, um am Hauptplatz der Stadt betteln zu können. Brrr. Die Vorstellung alleine! Plötzlich sah ich den Fellmantel, in den sie gewickelt war, nicht mehr als ein Kleidungsstück gegen die Kälte des heutigen Tages – denn der Meereswind war wirklich kalt – sondern als ein Symptom eines Fiebers. Bei Krishna! Ich betete innerlich, dass Elizabeth nicht eine von jenen Erkrankungen haben würde, die eine Gefahr für mich bergen würden.

Dipali Maurya
Bürgerin des British Empire
Kammerzofe der Elizabeth Coventry

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Dipali Maurya« (19. Mai 2015, 02:23)


Geburtsjahr: 1734

Haarfarbe: blond (normal)

Augenfarbe: blau

Körpergröße: durchschnittlich

Figur: schlank

Kleidungsstil: elegant

Auffälligkeiten: teure Kleidung
Wohlstand

  • Nachricht senden

4

Samstag, 6. Juni 2015, 18:03

Wieder stellte sich diese Inderin vor und wieder hatte Elizabeth Probleme mit dem fremden Klang dieses Namens. Dipali. Dipa... Sie wusste nicht, ob sie sich in einer Stunde noch an den Namen würde erinnern können und auch der Hinweis auf die Bedeutung des Namens machte es nicht gerade besser. Es sollte Lichterkette heißen, meinte besagte Inderin nun und schaute so höflich und süßlich drein, als hätte sie in eine Zuckerrohrstange gebissen. Es war eine merkwürdige Frau, die hier, nach England, einfach nicht passen wollte. Die Hautfarbe wirkte so dunkel, als habe man sie von irgendeiner Plantage hierher geschafft. Elizabeth war nun nicht negativ gegenüber diesen Völkern eingestellt, empfand sich aber doch schon als deutlich erhaben. Sie war schließlich eine Engländerin und hatte somit wohl die denkbar beste Herkunft. Nein, sie war nicht walisisch, wobei das noch ging. Auch nicht schottisch oder gar irisch. Sie war eine Engländerin, durch und durch und zudem die Tochter eines großen Mannes. Er war nicht einfach nur ein hoher Offizier in der Royal Navy. Er war auch fernab davon ein großer Mann, bekannt für viele positive Eigenschaften. Zugegeben, es war nicht gerade seine Herzenswärme, wegen derer man ihn überall schätzte, aber diese fehlende Herzenswärme konnte sie als seine Tochter ja wieder ausgleichen. Elizabeth sah sich als eine sehr freundliche, noble und zuvorkommende Frau. Und natürlich würde sie die Inderin gut behandeln, solange die wusste, wo ihr Platz war. Dapali? Dapili?
Ein bisschen ärgerte sie sich darüber, dass sie sich diesen Namen einfach nicht merken konnte. Lichterkette hingegen war hängen geblieben. Es war nicht gerade eine Erleichterung, den richtigen Namen der jungen Frau wiederzufinden, aber gut. Elizabeth entschloss sich, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie sich den Namen nicht merken konnte. Sonst war sie schließlich auch nicht vergesslich. Das Aussehen der Frau, nun das war in Ordnung. Auch an dem Verhalten fand Elizabeth bislang nichts auszusetzen. Aber ihr Name, puh, der war mies. Und ihr Timing irgendwie auch.

Elizabeth ahnte indes nicht im geringsten, was Dipali gerade so durch den Kopf ging, welche schrecklichen Krankheiten sie bei Elizabeth vermutete. Sie selbst schwenkte mit ihren Gedanken nämlich nun wieder nach Westindien, wo ihr Bruder zuletzt stationiert gewesen war, ehe er auf der Heimreise von dort zurück in den Kanal schwer verwundet wurde und seinen Verletzungen schließlich erlag. Sie sah wieder sein blasses, lebloses Gesicht vor sich und dieses niederschmetternde Gefühl kehrte schon bei der Erinnerung daran zurück. Gilbert... Dieses Gefühl, diese Gewissheit, dass er niemals mehr zurückkehren würde. Sie würde ihn nie wieder sehen, sobald seine Leiche unter der Erde verschwunden war und auch ihre gemeinsamen erheiternden Gespräche würden nur noch Erinnerungen bleiben. Seine Briefe, die einzigen Briefe die Elizabeth besaß, würde sie bestens aufbewahren. Aber auch sie würden nie mehr Gegenwart oder Zukunft sein. Gilbert war tot.
Bei dem Gedanken füllten sich ihre Augen wieder mit Tränen und sie wendete den Blick dezent ab, um nicht zu auffällig ihre Trauer zu zeigen. Diese... Dieses Lichtlein ging es einfach nicht an, was Elizabeth gerade fühlte und dachte. Erst deren Rückfrage, ob denn alles in Ordnung sei, holte Elizabeth wieder aus ihren Gedanken und zwang sie dazu, Dipali anzublicken.

"Ja. Alles in Ordnung." erwiderte die junge Coventry ein bisschen fahrig und angelte nun doch nach dem Taschentuch, um sich die Augen dezent abzutupfen. Nun mischte sich dieses Weibsbild auch noch in Angelegenheiten, die sie wirklich nichts angingen. Anmerken ließ sich Elizabeth ihren Unmut allerdings nicht und stattdessen entschied sie sich, nun wenigstens zu berichten, was vorgefallen war. Dipali gehörte nun schließlich zum Haushalt und würde auch so schnell nicht mehr verschwinden, da musste man wenigstens die Einführung ein wenig angenehmer gestalten.

"Wundere dich nur nicht. Dieses Haus hat schon fröhlichere Tage gesehen." meine Elizabeth fast ein bisschen dramatisch und tupfte sich erneut die Tränen aus den Augen, um sich anschließend auch noch möglichst leise und damenhaft die Nase zu putzen. Ohnehin wirkten ihre Bewegungen sehr zierlich und mädchenhaft; etwas, das zwar nicht natürlich war, aber so gut einstudiert, dass es in ihren automatischen Prozessen längst involviert war. "Mein Bruder, Gilbert, ist vor wenigen Tagen aus Westindien zurückgekehrt. Oder viel mehr das, was von ihm übrig geblieben ist. Gott möge seine Seele schützen." Nun kam noch ein leises Schluchzen in ihre Worte. Sie blinzelte in den Himmel hinauf und hasste es, dass sie gegen die Tränen nicht ankam. Aber es war eben so, es tat noch immer sehr weh und sie hatte ihren Bruder über alles in der Welt geliebt.

Elizabeth Coventry
Edeldame des British Empire

Geburtsjahr: 1740

Haarfarbe: schwarz

Augenfarbe: braun

Körpergröße: klein

Figur: schlank

Kleidungsstil: elegant

  • Nachricht senden

5

Sonntag, 21. Juni 2015, 20:30

Ich verstand mich darauf, süßlich zu lächeln. Die meisten Leute schien das für mich zu erwärmen. Dazu trugen vielleicht auf meine funkelnd weiße Zähne bei, welche bezeugten, dass ich nicht unbedingt die größte Zuckerrohrnascherin war – auch wenn dies in Indien überall erhältlich war. Wobei ich auch zugeben musste, dass meine dunkle Haut die Hellheit meiner Zähne unterstrich. Aus diesem Grund erschienen auch schwarze Sklaven immer die zu sein mit den hellsten Zähnen. Das hieß natürlich nicht, dass ich mich mit schwarzen Sklaven verglich, oh nein. Mein Volk hatte sich schon auf Kultur, Kunst und Staatmannschaft verstanden, als Elizabeths Vorfahren noch mit Steinäxten aufeinander eingehackt hatten.

Vielleicht hatte ich in meiner Zeit in London etwas zu sehr darunter gelitten, von meinen Erwartungen her, dass ich immer das Zentrum der Aufmerksamkeit gewesen war, wo ich auch hinging – männliche Inder waren selten in London, und weibliche umso mehr. Mein Vater hatte mich schon darüber informiert, dass einige Londoner – alteingesessene, weiße – sich für mich interessiert hatten. Aber es musste ein Hindu sein. Kein Muslim, kein Christ, kein Zoroastrianer konnte hier herhalten. Mir war das eigentlich egal. Ein Christ, der nicht versuchte, mich zu seinem Glauben zu zwingen, wäre mir noch viel lieber als ein alter, verkorkter Hindu, der minutiöse Einhaltung des Glaubens von mir erwartete.

Es war die Tatsache, dass ich hier neu war und einen guten Eindruck machen musste, dass ich aufmerksam in Elizabeths Gesicht schaute – und bemerkte, dass ihre Augen feucht waren. Ich, die mir gerade eben noch so sicher ob meiner Präsenz gewesen war, erwischte mich dabei, dass ich nicht recht wusste, was ich jetzt tun sollte. Ich fühlte sogar, dass ich bestürzt war. Woher kam denn das? Nur, es war nicht aller Tage, dass einem der Bruder wegstarb. Aber wer zur See fuhr, nun, dem musste dieses Schicksal bewusst sein. Urplötzlich dachte ich an meinen ältesten Bruder. Vaibhav, der für die EIC auf einem Ostindienfahrer arbeitete. Was, wenn ihm dies auch passieren würde? Shivaji, mein ehemaliger Verlobter, war ja auch eines gewaltsamen Todes gestorben. Wer das gewesen war, wusste niemand – vielleicht eine Familienfehde, welche aus der alten Heimat in die neue hinübergekommen war.

Ich biss meine Lippen zusammen und senkte meinen Blick gen Erde. “Oh“, mehr wusste ich in dieser Sekunde nichts zu sagen. Was sollte ich sagen, dass ich Shakti etwas opfern würde? Erstens wäre das eine Lüge, zweitens wäre das kaum etwas, was mich in einem christlichen Haushalt beliebt machen würde. Ich hasste mich dafür, dass ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht dem hier. Das hatte mich jetzt einmal richtig aus dem Lot gebracht, und ich musste dagegen ankämpfen, nicht unüberlegt loszuplappern.

“Das tut mir sehr Leid, Madam“, machte ich endlich kleinlaut. Kleinlaut weniger, weil es mir wirklich so furchtbar Leid tat. Ihr Bruder konnte mich kreuzweise. Was mir Leid tat, war, dass cih so gänzlich unvorbereitet auf diese Kundgabe gewesen war, und ich mich in einer Position wieder gefunden hatte, wo ich um Wörter rang – ich, die normalerweise nie um welche verlegen war. Bei anderen Personen wäre dies weniger schlimm gewesen, aber ich war auf die Gunst und Gnade dieser Frau hier für die absehbare Zeit angewiesen, und konnte da nicht einfach schnoddrige Sprüche klopfen. Wer mich so sehen würde, könnte sich wahrlich denken, dass ich von dieser Nachricht wirklich zutiefst betroffen war, und meine Anteilnahme grundlegend ehrlichr Natur war. “Ich hoffe, dass…“, machte ich, ohne nachzudenken, und hätte mich dafür ohrfeigen können. Hatte ich mir eben nicht gerade versprochen, nicht loszureden, wie mir der Schnabel gewachsen war? Was sollte ich nun sagen? Alles in Ordnung kommt? Wie dämlich. Dass er von den Toten wieder aufersteht? Das war geradezu gruselig. Dass er in seinem nächsten Leben nicht als Ameise wiederkommt? Bei den Göttern.

Ich entschloss mich für “…er Frieden findet.“ Schwach, Dipali, meldete sich eine Stimme in mir, aber was Besseres hatte ich nicht finden können. Ich kaute meine Unterlippe vor lauter Scham über dieses konversationelle Versagen. “Gewiss ist jetzt eine sehr schlechte Zeit“, offerierte ich. “Vielleicht sollte ich mich erst einmal von den Dienern hier anweisen lassen, wo ich wohne und was meine Aufgaben sind?“, machte ich. Es war so, als hätte man meiner Selbsteingenommenheit und meiner Arroganz – ich mochte einiges sein, aber nicht ich-bewusst war mitnichten – die gesamte Luft ausgelassen. Ich kannte mich allzu gut, und wusste, dass es vielleicht eine gute Idee war, mich aus der Schusslinie zu bringen, bevor mich meine freche Zunge wieder mal um Haus und Hof bringen würde. Sprichwörtlich, natürlich. Ich besaß kein Haus für mich selber. Eines Tages aber, ha! Der Gedanke daran machte, dass ich fühlte, wie langsam die Selbstbeherrschung wieder in mich zurückkam.

Dipali Maurya
Bürgerin des British Empire
Kammerzofe der Elizabeth Coventry

Geburtsjahr: 1734

Haarfarbe: blond (normal)

Augenfarbe: blau

Körpergröße: durchschnittlich

Figur: schlank

Kleidungsstil: elegant

Auffälligkeiten: teure Kleidung
Wohlstand

  • Nachricht senden

6

Mittwoch, 15. Juli 2015, 13:06

Dass Elizabeth regelrecht um das Leben ihres Bruders gebangt hatte und ihr die Gefahren der See durchaus bewusst gewesen waren, änderte nichts an der schmerzlichen Entbehrung. Sie hatte ihren Bruder abgöttisch geliebt, ihren Gilbert. Auch wenn er mit dem gemeinsamen Vater, den Elizabeth ebenfalls regelrecht verehrte, zuletzt in einem tiefen Streit gelegen hatte. Gilbert hatte nie Lust darauf gehabt, der Royal Navy zu dienen. Es hatte kaum eine schrecklichere Zukunft für ihn gegeben, als der militärische Dienst. Und Thomas Coventry hatte nie etwas Beschämenderes finden können, als einen Sohn, der eben nicht sein Leben in den Dienst des Königs und des Parlaments stellte. Vermutlich würde auch Elizabeth, wenn sie heiratete, einen hochdekorierten Marine-Offizier heiraten. Sie würde sich in dieser Frage nicht gegen ihren Vater stellen, auch wenn sie dankenswerterweise ein Vetorecht besaß. Nicht nur ein gesetzliches Vetorecht, sondern auch eines, das ihr Vater ihr selbst einräumte. Sie würde keinen Mann heiraten müssen, den sie nicht leiden konnte. Ebenso wenig würde sie sich gegen jeden Vorschlag ihres Vaters sperren, nur um nicht heiraten zu müssen. Es war so weit, wenn es so weit war und bis dahin würde sie sich ganz bestimmt nicht verrückt machen. Die Familie Coventry, oder zumindest dieser Zweig der Familie, hatte sich ganz und gar der Royal Navy verschrieben.
Ein Gedanke, der einen mit Stolz und Ehre erfüllte. Und mit Schrecken. Elizabeth hatte keine Lust später auf einen Mann warten zu müssen, der über Monate auf See war; sie hatte schon mehrfach warten müssen. Auf ihre beiden Brüder, auf James Lawrence - und auf keinen von ihnen hatte sie ihr ganzes Leben eingestellt. Nun warten zu müssen auf einen Mann, der ihren Lebensunterhalt bedeutete, war ein grauenhafter Gedanke. Erst Recht, wenn sie vergeblich warten müsste. Sie wusste nicht, worauf sie zu hoffen hatte. Vielleicht einen älteren Mann, der nicht mehr im aktiven Dienst war? Der nicht mehr zur See fuhr? Wollte sie wirklich Pflegerin statt Ehefrau werden, nur der Sicherheit wegen? Oder wollte sie doch lieber einen jungen Mann, der sie eines Tages als junge Witwe zurücklassen würde? Es gab kaum akzeptable Varianten.

"Ich danke dir." machte Elizabeth pflichtschuldig, als Dipali ihr Beileid ausdrückte. Was für oberflächliche und leere Worte, aber was sollte Elizabeth von einer vollkommen Fremden schon auch erwarten, die ihren wundervollen Gilbert nicht einmal namentlich gekannt hatte? Diapli war derart schlecht informiert gewesen, dass sie nicht einmal davon gehört hatte, welch schweren Verlust die Familie Coventry vor einigen Tagen hatte hinnehmen müssen. Wer auch immer für den dilettantischen Informationsfluss verantwortlich war, ein wenig eigenständige Recherche hätte einer angehenden Kammerdienerin auch gut getan. Nun, sei es drum.

"Ich schätze auch, ja." stimmte Elizabeth ein bisschen träge zu, als Dipali sich aus der Situation zu erlösen versuchte. Auch Elizabeth war wohl recht froh drum, wenn sie endlich ihre Ruhe haben könnte. Heute noch ahnte sie nichts davon, dass es auch Dipali und sie noch im selben Monat nach Westindien führen würde; sie ahnte ja noch nicht einmal etwas von dem nur kurz bestehenden Plan nach Gibraltar zu segeln.
Schweigend angelte sie das Amulett aus ihrem Dekolleté, das ihr Hugh Richards mitgebracht hatte, ein Offizier, der an Gilbert Coventrys Seite gewesen war, als er sein Leben ausgehaucht hatte. Sie würde ihn unbedingt noch einmal zum Dinner einladen müssen, natürlich in Rücksprache mit ihrem Vater. Sie wollte ihm gerne noch einmal in aller Ruhe und persönlich danken, sobald sich die Gelegenheit ergab. Und sie wollte vielleicht noch ein paar Geschichten über die letzten Tage eines gesunden und lachenden Gilberts hören. Es schmerzte sie, dass sie diese Ehre nicht mehr gehabt hatte, dass ihr nur noch seine Leiche blieb. Sie war geradewegs ein wenig eifersüchtig auf die Besatzung des Schiffs, auf die Männer, die Gilbert vermutlich gar nicht richtig zu schätzen gewusst hatten.

"Geh, lass dich einweisen." winkte sie also nur ab, ohne weiterhin einen Blick für Dipali zu haben, während sie mit glasigen Augen auf den aztekischen Anhänger in ihrer Hand blickte, der vermutlich in jeder Lebenslage um ein Vielfaches interessanter wäre als die Inderin.

Elizabeth Coventry
Edeldame des British Empire

Geburtsjahr: 1740

Haarfarbe: schwarz

Augenfarbe: braun

Körpergröße: klein

Figur: schlank

Kleidungsstil: elegant

  • Nachricht senden

7

Mittwoch, 5. August 2015, 23:53

Hier klicken für weitere Informationen
Ich denke, ich schreibe Dipali mal in der dritten Person, irgendwie ist das passender :)


Dipali musste sich gegenüber eingestehen, dass sie wirklich kaum informiert war über die genaueren Umstände der Familie Coventry. Das mochte damit zusammen hängen, dass ihr die Coventrys ziemlich am Hinterteil vorbeigingen, und auch damit, dass sie ihr ganzes Leben lang eigentlich damit verbracht hatte, sich bedienen zu lassen. Oh ja, die Mauryas waren bedeutende Leute gewesen in Bombay, und Dipali hatte mit einem recht großen Schock feststellen müssen, dass es in London keine Massen von Kastenlosen gab, die nichts lieberes wollten als einer jungen Dame aus der Händlerkaste zu Diensten zu sein. In Großbritannien war sie höchstens dadurch etwas besonderes, dass sie eine Ausländerin war – und wie der typische Brite zu Ausländern stand, konnte man schon an Elizabeth sehen.

Und Dipali hatte auch noch die Ausrede, dass sie, als sie sich in London in die Kutsche nach Portsmouth gesetzt hatte, noch gar keine Möglichkeit gehabt hatte, dies zu vernehmen – Nachrichten reisten manchmal langsam, besonders wenn es sich um den Tod eines wenig bedeutsamen Unteroffiziers handelte. Und so hatte Dipali schon einmal einen wahrlich alles andere als guten Eindruck gemacht, wie sie sich selber gegenüber eingestehen musste. Der Gedanke daran machte sie ganz fuchsig, doch sie würde den Teufel geben, das Elizabeth zu zeigen. Stattdessen würde sie nun das Beste aus dieser Sache machen.

Schon wollte sich Dipali zurückziehen, um sich zu den anderen Dienern zu flüchten – denn eine Dienerin war sie nun, nichts besseres, danke Vater, dachte sie sich nörgelnd – da sah sie Elizabeth etwas aus ihrem Dekolleté herausziehen. Neugierig bleib sie also stehen, nur um zu sehen, worum es sich dabei handeln konnte. Ein Schmuckstück… aus Gold. Exotisch. Nicht indisch. Dipalis Augen wurden groß, und der Wunsch breitete sich in ihr aus, dieses Amulett auch haben zu wollen. So gesellte sich zusätzlich zu Dipalis Ärger darob, dass Elizabeth mit der peinlichen Situation von eben im Zusammenhang stand, auch noch der Neid hinzu. Und Dipali war dafür bekannt, dass sie kaum locker ließ, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte. So unauffällig, wie es nur ging, studierte sie das Amulett, während sie einen Knicks machte. Als sie herabging, spürte sie abermals, wie sich ihr das ungewohnte Korsett in den Bauch schnürte. Wer auch immer dieses unmögliche Kleidungsstück erfunden hatte, den würde sie erwürgen! Mittlerweile hatte sich in ihr schon genug Ärger angesammelt, um eine Dampfmaschine zu betreiben.

Langsam brachte sie sich wieder in eine aufrechte Position, und zwang sich dazu, Elizabeth mit einem ernsten, aber dennoch freundlichen Gesichtsausdruck anzuschauen. “Natürlich. Zu Befehl, Madam“, machte sie mit jenem indischen Akzent, den sie hasste, aber einfach nicht abschütteln konnte, und wandte sich ab von der Engländerin. Gott, die Kette. Dipali musste die haben, Irgendwie musste das doch zu schaffen sein, dachte sie sich, als sie mit frustrierten Gedanken im Hirn zurückkehrte in die Richtung des Hauses, wo sie sich am Besten an den Butler wenden würde; der würde ihr sicher zeigen können, was genau wo war, und vielleicht würde sie in ihrem neuen Zimmer – als Kammerzofe der Dame des Hauses erwartete sie, ein solches zu bekommen – Zeit finden, ihre Gedanken zu ordnen.

Dipali Maurya
Bürgerin des British Empire
Kammerzofe der Elizabeth Coventry